Stadtmarketing-Konzepte für Hannover

 

Ausgangssituation: Coopetition im Wettbewerb der Standorte

 

Coopetition ist ein zusammengefasster Begriff aus den Worten Cooperation und Competition. Auf den ersten Blick scheint dies ein Widerspruch zu sein. Das muss es aber nicht. Es gibt viele Beispiele bei denen Unternehmen in Einzelbereichen zusammenarbeiten und in anderen Bereichen konkurrieren. Idealerweise ist das Ergebnis von Coopetition. eine Win-Win Situation für alle Beteiligten. Das im Folgenden beschriebene Projekt ist ein anschauliches Beipiel dafür, dass die Zusammenarbeit von Konkurrenten zum Wohle aller Akteure beitragen kann.  

Hannover, im Februar 2008. Es tut sich was in Hannover! In der Nähe des Hauptbahnhofs errichtet die Hamburger Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft (ECE) die Ernst-August-Galerie, eine gigantische Shopping-Mall mit 30.000 qm Verkaufsfläche auf 3 Ebenen.

Mit dem Management von 94 Einkaufzentren ist die ECE europäischer Marktführer auf diesem Gebiet. Jedes dieser Center ist ein Unikat mit einem standortspezifischen Branchenmix. So wird die Ernst-August-Galerie mit ca. 150 geplanten Fachgeschäften (Flagship-Stores, Modeläden und Boutiquen, Cafés und Restaurants, Food- und Schlemmermarkt, sowie mehr als 20 einzelhandelsnahe Dienstleistungsbetriebe) in Hannover völlig neue Maßstäbe setzen. Neben örtlichen und regionalen Betreibern sollen vor allem national und international agierende Filialisten für den Standort gewonnen werden. Das Shopping-Center soll großzügig und elegant gestaltet werden. Mehrere Piazzi und lichtdurchfluteten Rotunden sollen ein mediterranes Flair ausstrahlen und so eine hohe Aufenthalts-, Bummel- und Verweilqualität erhalten. Bereits im Herbst 2008 soll die Eröffnung sein.

Doch was bedeutet dieses Zentrum für die Innenstadt und ihre Einzelhändler? Der Einzelhandel klagt ohnehin über geringe Umsätze. Laut Hauptverband des deutschen Einzelhandels wird für 2007 nur ein geringfügiges Wachstum von 0,5 % erwartet und der Wettbewerb der Standorte wird – gerade in Hannover – immer härter. So haben in den letzten Jahren einige alteingesessene Handelsunternehmen aufgegeben. Betroffen waren vor allem hochwertige Fachgeschäfte und traditionelle, inhabergeführte Geschäfte, die dem Wettbewerb mit Warenhäusern und internationalen Filialisten nicht länger standhalten konnten.

Mit Sicherheit werden sich nun mit Eröffnung des Centers die Passanten- und Kundenströme der City erheblich in Richtung Ernst-August-Galerie verlagern. Bei vergleichbaren Projekten in anderen Städten zeigte sich aber auch, dass ein attraktives Einkaufszentrum eine große Anziehungskraft für neue Kunden aus dem Umland oder für bisherige „Einkaufsmuffel“ entfaltet. Mit anderen Worten: Der Markt wird größer. Fraglich ist nur: Welchen Marktanteil die Einzelhändler der Stadt angesichts der neuen Situation für sich erobern und sichern können.

Die Händler im Citybereich begreifen das neue Szenario als Chance und ergreifen die Initiative. Fest steht: Um die Wettbewerbsschwäche gegenüber dem koordinierten Shopping-Center zu überwinden, muss die Infrastruktur der City verbessert werden und vielen ist klar, dass die neue Herausforderung nur gemeinsam bewältigt werden kann.

Die Kaufleute der Stadt haben sich deshalb in fünf Interessengemeinschaften zusammengefunden, um die Innenstadt attraktiver zu gestalten. „Bunt, vielseitig und lebendig“ heißt die Devise. Deshalb wollen die Interessengemeinschaften für ihre Quartiere Hannover-Mitte, Oper, O´K-Hannover (Oster- und Karmarschstraße), Altstadt und Steintor individuelle Profile entwickeln, um sich im Wettbewerb zu positionieren. Ein Vorbild für dieses Konzept sind die Business Improvement Districts in nordamerikanischen Städten.

Alle gemeinsam gründeten im Oktober 2007 die Hannover-City GmbH, um unter der Marke „Hannover City“ ein professionelles City-Management zu betreiben. Ziel ist die Koordination aller Aktivitäten zur Belebung und Modernisierung der Stadt als Erlebnisraum, um dem Riesen am Hauptbahnhof ein Gegengewicht zu setzen. Die Stadt Hannover wie auch das Land Niedersachsen unterstützen die Initiative mit dem Ziel, die hannoversche Innenstadt zum „Oberzentrum“ zu entwickeln. Inzwischen engagieren sich auch Immobilienbesitzer, Dienstleister, Gastronomen, Kulturschaffende, Kirchen und Privatpersonen für die ehrgeizige Gemeinschaftsaufgabe. Die Finanzierung muss durch Mitgliedsbeiträge und Sponsoring erfolgen. Gestaltungsideen gibt es bereits viele.

Achim Balkhoff, Geschäftsführer der Hannover-City GmbH, beauftragte die Studenten aus Kurs W 61 mit der Entwicklung von Marketingkonzepten. 

 

 

Aufgabenstellungen für die Studenten

 

Aufgabe 1

Entwickeln Sie ein Konzept zur Identitätsstärkung nach dem Motto „Wir Hannoveraner“

 

Aufgabe 2

Kreieren Sie Eventideen zur Generierung und Stärkung der Hannover-City Strahlkraft

 

Aufgabe 3

Erstellen Sie ein Konzept für das Quartiersmanagement

  • Entwickeln Sie dazu ein Nutzen- und Imageprofil pro Quartier und
  • planen Sie darauf aufbauend spezifische Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der einzelnen Quartiere

 

Aufgabe 4

Erstellen Sie aufbauend auf einer Situationsanalyse ein Konzept für ein Quartier Ihrer Wahl. 

  • Entwickeln Sie ein Nutzen- und Imageprofil für das gewählte Quartier
  • Entwickeln Sie einige Ideen für die konkrete Umsetzung ihres Konzeptes im Quartier.

 

Aufgabe 5

Erstellen Sie aufbauend auf einer Situationsanalyse ein Marketingkonzept zum Erlebniskauf für einen Händler Ihrer Wahl. Berücksichtigen Sie dabei vor allem

  • Ausgestaltung der Einkaufsstätte
  • Standortumgebung (Quartier)
  • Sortimentsgestaltung
  • Kundenkommunikation

 

Aufgabe 6

Entwickeln Sie aufbauend auf Ihrer Situationsanalyse, ein Marketing-Konzept für die Hannover-City GmbH.

 

 

Pressemitteilung der Hannover City GmbH

Frische Impulse für die City

 

Die Studenten der Norddeutschen Akademie für Marketing und Kommunikation haben sich im Rahmen Ihrer Abschlussarbeit intensiv mit der strategischen Entwicklung des City- und Quartiersmanagements  in der Landeshauptstadt befasst. Mehr als 30 Studenten haben Konzepte für die Arbeit der Hannover City GmbH entwickelt.

Das Spektrum reicht dabei von Ideen zur Steigerung der Organisationsstrukturen innerhalb der fünf Quartiere über die Visualisierung  der Quartiere und der City GmbH im öffentlichen Raum bis hin zu einem Ideenkatalog zur künftigen Belebung der Innenstadt. Die umfangreichen Arbeiten werden den vor einem Jahr gegründeten City-Management in Hannover in jedem Fall wichtige Impulse verleihen. Ein Schwerpunkt der Studenten bestand darin, Wege aufzuzeigen, wie sich die City von Hannover künftig kinder- und familienfreundlicher als bisher präsentieren kann.

Anlässlich der Präsentation der Arbeiten im Gehry-Tower betonte Achim Balkhoff, Geschäftsführer der Hannover City GmbH, wie wichtig diese Einflüsse von außen sind. „Wenn wir wollen, dass City künftig nicht mehr nur die Aneinanderreihung von Geschäften bedeutet, sondern vielmehr für neue Lebens- und Aufenthaltsqualität sowie Flair und Treffpunkt steht, dann brauchen wir frische, manchmal auch außergewöhnliche Ansätze für unser Tun.

Nach einem erfolgreichen Start mit Veranstaltungen wie (Moonlight-Shopping (150 000 Besucher, Fete de la Musique (360 000 Besucher)  oder dem Ballhofprogramm mit 30 Konzerten werde in der nächsten Phase die Belebung des Platzes an der Marktkirche eine wichtige Rolle spielen, sagte Balkhoff. Im Übrigen gelte es die Mitglieder- und Sponsorengewinnung noch intensiver als bisher voranzutreiben, denn „City-Management ist überall dort stark und erfolgreich, wo sich  möglichst viele Akteure finanziell engagieren.“  Nach dem Beitritt der City-Gemeinschaft als sechster Gesellschafter sowie der im Oktober eröffnenden Ernst-August-Galerie als Co-Sponsor gelte es nun, auch Hannovers Industrie-Unternehmen davon zu überzeugen, ihren Beitrag zur Qualitätssteigerung der City zu leisten.

Zur Weiterentwicklung der professionellen Managementstrukturen in der Innenstadt hat kürzlich das Land Niedersachsen beschlossen, den Quartiersprozess in Hannover auch im kommenden Jahr mit 120 000 Euro zu unterstützen.

Hannover, 4. August 2008

Briefing

Folien
Sebastian Peetz
peetz & le peetz design

Studenten der Norddeutschen Akademie
bei der öffentlichen Präsentation Ihrer Stadtmarketing-Konzepte im Gehry Tower

 

 

Und wie ging es dann weiter?

 

Die Hannover City GmbH hat in der City vieles bewirkt und sogar einige Ideen unserer Studenten umgesetzt. Doch letztlich scheiterte das Konzept trotz öffentlicher Fördermittel an der Finanzierung. Nachdem einige Quartiere nicht mehr bereit waren einen Eigenanteil beizutragen hat die Hannover City GmbH im Juni 2009 Insolvenz angemeldet. Wir bedauern das sehr. Immerhin haben sich einige Events inzwischen etabliert, wie z.B. die „Fête de la Musique“ und das „Moonlight-Shopping“. Zeitgleich ist auch das Dîner en Blanc ist in Hannover angekommen. Doch aus unserer Sicht ginge da noch mehr.